Unmittelbar nach der verehrenden Flutkatastrophe im Ahrtal gründete Thomas Pütz das "Helfer Shuttle". Er brachte Tausende freiwillige Helfende ins Tal. Wie er die Katastrophe erlebt hat und warum die Hoffnung niemals sterben darf.

Im Überblick:

  • Thomas Pütz war selbst von der Flutkatastrophe betroffen
  • Prompt organisierte er das "Helfer-Shuttle" und versorgte die Helfenden aus eigener Tasche

Wie hast du das Ahrtal früher erlebt?

"Das Ahrtal ist eine sehr schöne Gegend, Wein wächst an jeder Ecke. Es ist touristisch attraktiv und auch ein Gesundheitsstandort. Und natürlich leben hier sehr viele fröhliche Menschen.

Ich bin regelmäßig mit meinem erstgeborenen Sohn mit dem Rad durch die Wienberge gefahren. Der Anstieg ist schwierig, aber der Ausblick wunderschön. Da wird einem immer wieder bewusst, wie schön die Heimat ist."

Wie hast du die Katastrophe erlebt?

"Die erste Information, dass etwas Schlimmes herannaht, habe ich über Social Media bekommen. Dort wurde ein Video gepostet, wie in Rech ein Wohnwagen an einer Brücke zerschellte. Ich traf mich mit meinen Mitarbeitern im Büro, von wo aus wir bereits einen Entwässerungsgraben sehen konnten, der sich wie ein Wasserfall aus den Weinbergen nach Bad Neuenahr ergoss. Da war uns allen klar, dass jetzt etwas Schlimmes passiert.

Schnell entschlossen wir uns Sandsäcke zu besorgen, die uns ein Pizzabäcker zur Verfügung stellte. Nachdem wir sie verteilten, bekam ich einen Anruf einer Mitarbeiterin, die verzweifelt auf ihrem Dachboden saß. Und dann bin ich dahingefahren. (hält einen Moment inne, die Augen werden feucht) Und nicht hingekommen."

Wie ging es dann weiter?

"Ich musste wieder wegfahren. Wir haben noch ca. 15 Passanten, die dort standen, mitgenommen und zur Feuerwehr gebracht. Später fuhr ich in mein Ladenlokal, wo ich die Nacht bis zum Morgengrauen verbrachte. Zuerst dachte ich, ich könnte das Wasser noch draußen halten. Doch dann habe ich, um die Schaufenster zu schützen, die Türen geöffnet, mich auf die Theke gesetzt, das Wasser hereinkommen lassen und meine Lieblingsmusik gehört."

Welcher Moment hat dir neue Hoffnung gegeben?

"Das war am nächsten Tag. Ich rief meine Mitarbeiter an und bat sie mit Wischmopp und Eimer vorbeizukommen. Ich sagte 'Wir kriegen das wieder hin, in zwei drei Stunden haben wir den Laden wieder ganz.' Innerhalb von so kurzer Zeit waren 30 Leute da und haben angefangen sauber zu machen."

Beschreibe doch bitte, wie du die Solidarität im Ahrtal erlebt hast?

"Menschen aus der ganzen Welt sind zu uns gekommen, um zu helfen. Es ist ein Gefühl von 'Ich bin Teil einer großen Sache'. Ich habe nur den Zündfunken gegeben, damit ein Riesenmotor beginnt, zu laufen. Allein das zu beobachten, ist mir persönlich eine große Ehre.

Ein Tag beim Helfer-Shuttle war ein Tag voller Energie. Man war bereits vor dem Wecker-Klingeln wach - und das war um 5.30 Uhr. Dann haben wir die Einsatzorte besprochen. Bis zu 40 Kleinbusse und vier Großbusse standen bei uns. Wir hielten eine Morgenansprache und gaben Sicherheitshinweise. Wir erklärten, wie man sich richtig verhält. Jedes Mal sagte ich 'Ich möchte alle heute Abend heil zu einem Bier wieder zurück haben.' Und dann ging es los. Teilweise haben wir bis zu 3500 Leute innerhalb einer Stunde ins Tal gefahren. Da kann man sich vorstellen, was da los war. (lächelt)"

Was wäre dein Wunsch an die Politik?

"Den Fokus nicht zu verlieren. Nicht zu den Themen zu wechseln, von denen man meint, dass sie parteipolitisch wichtiger sind. Hier geht es um eine Region in Deutschland. Ich war immer der Meinung, wenn es einer kann, dann in Deutschland: Etwas schnell, nachhaltig und zukunftsorientiert wieder aufzubauen. Und da muss ich leider sagen, bin ich bisher sehr enttäuscht.

Ich wünsche mir, dass man uns die besten Ingenieure, Fachkräfte und Wissenschaftler zur Verfügung stellt, um unsere Heimat wieder aufzubauen."

Fragt man viele Helfer, wer für sie ein Flut-Held ist, nennen sie deinen Namen. Wer sind für dich die Flut-Helden?

"Ich fühle mich selbst null als Held. Ich habe nur das getan, was man tun muss. Vielleicht habe ich die Situation ganz gut erkannt, aber das macht mich noch lange nicht zum Helden. Ich war zum richtigen Zeitpunkt, mit den richtigen Fähigkeiten am richtigen Ort. Aber auch das hätten Tausende andere machen können.

Für mich sind diejenigen die Helden, die in der Nacht für ihre Familie da waren, die Menschen gerettet haben, die unschöne Dinge tun mussten. Diejenigen, die fremde Menschen aus Häusern gerettet haben, Ärzte, die Verletzte und Todkranke versorgten. Diejenigen, die vielen Menschen das Leben gerettet haben. Das sind für mich die wahren Helden."

Was fällt dir ein, wenn du das Wort "Hoffnung" hörst?

"Hoffnung ist etwas, das man nie verlieren darf. Der Spruch 'Die Hoffnung stirbt zuletzt' halte ich für Quatsch. Denn sie darf niemals sterben."

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