Im Gespräch mit Tim Ossege aka "seiLeise" bekommen wir Einblicke in seine Kunst und die Gedankenwelt eines etablierten Streetart-Künstlers aus Köln.
Im Überblick:
- Geboren in Kalk und aufgewachsen in Mülheim: Tims Lebensgeschichte prägt seine Verbindung zur Schäl Sick.
- Inspiriert vom urbanen Raum als Leinwand, hat es sich der Künstler zur Aufgabe gemacht, durch seine Kunstwerke das aktuelle Zeitgeschehen leicht verständlich abzubilden.
1. Du bist mit deinen Paste-Ups und Reverse-Graffiti im Stadtbild präsent. Wie bist du zu dieser Kunstform gekommen und was motiviert dich, "art for free“ in Köln zu verbreiten?
"Wie viele in dem Alter bin ich mit 16 Jahren mit Graffiti in Berührung gekommen. Am Rande der Illegalität gegen den Strom zu schwimmen, dem Ego im öffentlichen Raum Ausdruck zu verschaffen hat mich gefesselt. Leider war ich nur mäßig begabt, oder hatte nicht die Ausdauer, mich signifikant freihand im Umgang mit der Dose zu verbessern. Unterm Strich konnte das Ergebnis meinen Ansprüchen nicht gerecht werden. Daher hab ich meine Bemühungen nach diesem kurzen Exkurs eingestellt.
Die Faszination den urbanen Raum als Leinwand zu verwenden ist immer geblieben und treibt mich bis heute an. Wir leben in einer überwiegend grauen Umgebung, die viel zu umfangreich vom gefälligen Bunt der Werbung dominiert wird. Dabei sollte eigentlich die Stadt den Bürgern gehören und dienen.
Ich bringe einfach nur etwas Farbe in das Grau, wenn sich vorbeistreifende Menschen daran erfreuen können, ist es das höchste zu erreichende Gut."
2. Viele deiner Motive wirken sehr filigran und haben Kinder als Protagonist*innen. Gleichzeitig sind die Themen sehr ernst und erwachsen. Kannst du uns erklären, warum?
"Ich begreife meine Arbeit als Dokumentation des Zeitgeschehens durch meine Augen. Essenzieller Bestandteil ist es mitunter komplexe Themen unserer Zeit in schnell zu begreifenden Motiven zu komprimieren.
Kinder sind besonders schützenswert, sie sprechen Urinstinkte an, finden allerdings in Beziehung zu politischen Entscheidungsprozessen kaum statt. Sie sind in der Regel Zuschauer und damit unbeteiligt, obwohl sie in erster Linie mit den Konsequenzen unseres Handelns umgehen müssen und vielleicht eher den Mut hätten, langfristig Dinge fundamental zu überdenken und radikal zu ändern.
Die junge, erwachsen werdende Generation stellt sich heute die Frage, ob es überhaupt noch vertretbar ist, einer weiteren neuen Generation das Leben zu schenken. Meiner Auffassung sollte es die Grundfesten der Politik erschüttern. Diese und viele weitere Ängste, Nöte und Konsequenzen brauchen in einer von kapitalen Interessen gesteuerten Welt mehr Raum. Deshalb liegt mein Fokus auf jüngeren Generationen im Zusammenspiel mit den Entscheidungen der alten."
3. Du hast in den letzten Jahren einen Bildersuchpfad auf der Schäl Sick geschaffen. Wie machst du das? Und woher kommt deine Verbundenheit mit dem Rechtsrheinischen?
"Ich bin in Kalk geboren und habe einen großen Teil meiner bisherigen Lebenszeit in Mülheim verbracht. Die 'Bildersuche' ist ein Produkt der Pandemie. Zur Zeit der Lockdowns und der damit einher gehenden Kulturarmut ist dieses Konzept geboren. Die Bildersuche ist als Angebot entwickelt worden, das die damals geltenden Beschränkungen berücksichtigt und Menschen ins rechtsrheinische Mülheim bringt. 650.000 Seitenaufrufe lassen den Rückschluss zu, dass es wohl geglückt ist."
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